„Abstand halten!“ ist das Gebot der Stunde. Doch im Fairen Handel rücken alle enger zusammen, um die Corona-Krise zu bewältigen. Angesichts der Auswirkungen der Corona-Pandemie für die Menschen in Deutschland geraten die weltweiten Folgen oft aus dem Blick. „Die Produzenten des Fairen Handels in Afrika, Asien und Lateinamerika leiden enorm unter den Auswirkungen der Coronakrise“, sagt Ulrike Ebert-Huber vom Weltladen Oberkirch.

Martin Lang, Fair-Handels-Berater beim Dachverband Entwicklungspolitik Baden-Württemberg, DEAB, beschreibt die Situation: „Werkstätten sind geschlossen, Ware kann nicht ausgeliefert werden und Ausgangssperren verhindern, dass Mitarbeitende zur Arbeit fahren. Vor allem kleinere Organisationen stehen vor dem Ruin. Einige haben Produktionsmittel verkauft, um die notleidende Belegschaft mit Lebensmitteln unterstützen zu können. Viele Lager sind leer und die Organisationen haben keine Mittel zur Beschaffung von Rohwaren, um die Produktion wieder aufnehmen zu können.“ Bei umfassenden Lockdowns wie in Indien wurde der internationale und landesweite Verkehr eingestellt und eine weitreichende Ausgangssperre verhängt. Dies führte zu gekappten Lieferketten, heimische und globale Absatzmärkte sind teilweise zusammengebrochen.
„In dieser schwierigen Situation beweist der Faire Handel seine Stärke als solidarisches Wirtschaftsmodell entlang der gesamten Lieferkette“, so Ulrike Ebert-Huber vom Weltladen Oberkirch. Sie berichtet wie die Akteure des Fairen Handels zusammenwirken. Produzentenorganisationen unterstützen ihre Mitglieder auf vielfältige Weise. Bei Kiboko Leisure Wear in Nairobi, Kenia konnten notleidende Arbeiter und Arbeiterinnen über den firmeneigenen Sozialfonds kurzfristig unterstützt werden. Es wurden Lebensmittel und Gas zum Kochen gekauft, Mieten und Überbrückungsgelder gezahlt, Kleinvieh und sogar eine Kuh zur Selbstversorgung angeschafft. Bestückt wird der Sozialfonds u.a. durch die Fair-Trade-Prämie, die essentieller Teil der Preisgestaltung im Fairen Handel ist.
Auch die Fairhandels-Importeure, Lieferanten der 900 Weltläden in Deutschland haben ihre Produzenten mit erheblicher finanzieller Nothilfe, der Aufrechterhaltung der Bestellungen und Vorauszahlungen unterstützt. Sie sind damit ein großes Risiko eingegangen, da nicht abzusehen war, ob die Weltläden die Waren unter den Bedingungen das Lockdowns in Deutschland verkaufen können. Welche Bedeutung die Solidarität der Importeure für die Produzenten hat, beschreibt Swapan Kumar Das von Prokritee aus Bangladesch: „Eine wichtige Sache war auch, dass alle Bestellungen bestehen blieben. Keine wurde abgesagt während der Corona-Zeit. Wir entwickelten Kleinaufträge, die zu Hause hergestellt werden konnten. Die Handwerkerinnen waren entschlossen, zu Hause zu produzieren. Alles in allem war es kein großes Einkommen, aber es gab immerhin etwas, das sie verdienten.“ Prokritee stellt unter anderem handgefertigte Papierwaren her und arbeitet mit Frauen in ländlichen Gebieten zusammen.
Am Ende der fairen Lieferkette stehen die Weltläden. Mit viel Engagement halten die überwiegend ehrenamtlich Mitarbeitenden den Weltladen in Oberkirch offen. So schaffen sie einen Absatzmarkt für die Waren der Produzenten und ihrer Lieferanten. „Dank unserer treuen Kundschaft und auch vieler Neukunden sind wir ganz gut durch die Corona-Krise gekommen“, sagt Ulrike Ebert-Huber. „Viele Menschen suchen in der Krise nach etwas Sinnvollem. Ein Einkauf im Weltladen oder ein Engagement bei uns stärkt benachteiligte Produzenten im Süden, denn sie sind dringend auf den Verkauf ihrer Waren angewiesen.“.
Mit der aktion #fairwertsteuer verstärken Weltläden und Kunden noch ihre internationale Solidarität. Dabei wird die Mehrwertsteuer-Absenkung nicht an die Kunden weitergegeben, sondern kommt über einen Fonds Fair-Handels-Produzenten im Globalen Süden zugute. Die Aktion wird getragen von den teilnehmenden Weltläden, dem Weltladen-Dachverband, der FairHandels-Beratung, dem Forum Fairer Handel, der Lieferanten-Initiative (GEPA, GLOBO, El Puente, WeltPartner) und dem FAIR BAND. Bis zum Ende Dezember 2020 haben Weltläden und Einzelpersonen 206.000,- € für den Unterstützungsfonds aufgebracht. „Der Bedarf an finanzieller Unterstützung ist nach wie vor enorm und die Initiatoren bitten um weitere Zuwendungen von Weltläden und Privatpersonen“ so Martin Lang, Mitglied des unabhängigen Vergabegremiums der aktion #fairwertsteuer.
„Für uns als Weltladen Oberkirch war schnell klar, dass wir uns an der aktion #fairwertsteuer beteiligen werden“, erklärt Ulrike Ebert-Huber. „So können wir die Produzenten stärken, damit sie und ihre Organisationen die Krise hoffentlich gut überstehen“.

Flyer zur Aktion #fairwertsteuer